Sören Weichert erfüllt sich Traum von der Triathlon-WM an der Cote d‘Azur

Nach gut einem Jahr Vorbereitung krönte ich meine Saison bei der Teilnahme an der Triathlon-Weltmeisterschaft der Amateure am 08.09.2019 über die halbe Ironman-Distanz in Südfrankreich. Bereits im September 2018 hatte ich mir beim Ironman 70.3 auf Rügen in der Altersklasse M30 mit einer guten Leistung beim Radfahren und Laufen den letzten verbliebenen Slot für die Teilnahme an der diesjährigen IM 70.3 WM gesichert. Nach der erfolgreichen, völlig unverhofften Qualifikation startete im April 2019 beim Trainingslager auf Mallorca das gezielte Training für den Saisonhöhepunkt an der Cote d’Azur. Es folgten zwei Vorbereitungswettkämpfe auf der Triathlon-Mitteldistanz in Belfort und Malterdingen sowie zwei Starts bei der LL bzw. 1. Baden-Württemberg-Liga. Das Training im Hallenbad, im Freiwasser und auch in den umliegenden Bergen des Schwarzwaldes beim Radfahren und Laufen konnte ohne Verletzungen und Krankheiten absolviert werden. Auch wenn die Generalprobe bei den Baden-Württembergischen Landesmeisterschaften auf der gleichen Distanz – 3 Wochen vor Nizza – aufgrund eines völligen Einbruchs beim Laufen relativ katastrophal ausfiel, besann ich mich am Ende doch ganz auf meine guten Trainingsergebnisse. So versprach insbesondere die regelmäßige Trainingsfahrt auf meinen Hausberg Kandel mit mehr als 1.000 Höhenmetern einen harten, aber wirkungsvollen Trainingsreiz. Insgesamt habe ich die Weltmeisterschaft also am Ende mit Spannung und Vorfreude erwartet. Die Aussicht, mich weniger mit den Profis, mehr jedoch mit den besten Altersklassen-Athleten der Welt messen zu können, sorgte für eine riesige Motivation. Neben dem Druck, den sich jeder Sportler vor seinem Saison-Highlight macht, versuchte ich jedoch auch, die ganze Atmosphäre um den Wettkampf herum in einer traumhaften Location zu genießen, und auch das Rennen selbst entspannt anzugehen und als „Belohnung“ für das viele Training zu sehen.

Die Wettkampfdistanz beläuft sich beim Ironman 70.3 bekannterweise auf 113 Kilometer (= 70.3 Meilen), aufgeteilt in 1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren und einen anschließenden Halbmarathon über 21,1 km. Das Schwimmen fand im – wirklich azurblauen – Mittelmeer direkt vor der Strandpromenade Nizzas statt. Das eigentliche Highlight des Wettkampfes war jedoch die Radstrecke, welche einer Weltmeisterschaft absolut würdig war. Nach 10 flachen Kilometern zum Einrollen entlang der berühmten Promenade des Anglais stieg der Kurs unvermittelt mit einigen 15%-Rampen an. Bis auf den höchsten Punkt der Radstrecke, dem Col de Vence, waren auf 35 Kilometern knapp 1.400 Höhenmeter zu absolvieren. Während der Aufstieg eher für leichtere Kletterer wie gemacht war, forderte die rasende, kurvige Abfahrt eine sehr gute Technik und Radbeherrschung. So setzten einige Athleten auch auf normale Straßenrennräder statt Zeitfahrmaschinen, da diese in den Abfahrten deutlich besser zu beherrschen sind. Aufgrund einiger flacher Passagen entschied ich mich jedoch – im Nachhinein zum Glück – für das Triathlonrad. Nach den letzten, erneut flachen 10 km zur zweiten Wechselzone an der Strandpromenade folgte der Wechsel auf den finalen Halbmarathon. Im Gegensatz zur Radstrecke war der Laufkurs jedoch komplett flach und verlief entlang der Küste auf der Promenade des Anglais in einem 10 km-Wendepunktkurs über zwei Runden. Dabei waren das Meer auf der einen und die mondänen Hotels auf der anderen Seite immer im Blick. Für eine malerische Kulisse war also bestens gesorgt, und mehr als 5.500 Triathleten fieberten dem Start entgegen.

Im Gegensatz zu den meisten Rennen war das Starterfeld zwischen Männern und Frauen diesmal komplett getrennt. Während sämtliche Damen bereits am Samstag an den Start gingen, waren die Männer erst am Sonntag gefordert. Den Auftakt bildeten um 7 Uhr morgens jeweils die Profi-Damen bzw. -Herren, danach folgten im 10-Minuten-Takt die Agegrouper in mehreren Startwellen. Etwas überraschend war am Sonntag das Tragen eines Neoprenanzuges aufgrund der hohen Wassertemperatur verboten, obwohl die Frauen einen Tag zuvor noch mit dem Neo starten durften. Der hohe Salzgehalt verhalf jedoch auch so zu jeder Menge Auftrieb und einer guten Wasserlage, als Kälteschutz war der Neo ohnehin nicht notwendig.

Die nervöse Anspannung aller Athleten war bereits in den Tagen zuvor allerorts zu spüren gewesen. Überall waren die Triathleten mit jeder Menge freier, sonnengebräunter Haut, sehnigen, muskelösen und gestählten Körpern im Stadtbild auszumachen, verpackt in allem, was der Triathlon- bzw. Ironman-Markt an sinnvollen oder weniger sinnvollen Kleidungsstücken, Gadgets und Stoff momentan so zu bieten hat. Neben dem üblichen Vorstart-Procedere wie Registrierung, Rad-Check-In in die Wechselzone und Abgabe der Rad- und Laufklamotten für den Wettkampf stand natürlich auch ein Besuch auf der riesigen Sportartikel-Messe auf dem Programm. Am Freitagabend erfolgte noch ein kurzer Lauf entlang der Promenade, wegen eines starken Gewitters musste das Einschwimmen im Mittelmeer jedoch auf den Samstag verlegt werden.

Am Sonntagmorgen erfolgte schließlich nach einem entspannten Warm-up der Schwimm-Start. Nachdem die Profiathleten bereits um 7 Uhr auf die Reise geschickt wurden, stürzte ich mich um 08:02 Uhr – pünktlich zum Sonnenaufgang - zusammen mit den anderen Athleten meiner Altersklasse in die salzigen Fluten des Mittelmeeres. Aufgrund des Rolling-Starts war das Schwimmfeld trotz einer Rekordbeteiligung von nahezu 3.300 Männern sehr weit auseinandergezogen. So kam es zu verhältnismäßig wenig Körperkontakt mit anderen Schwimmern. Auch die Orientierung entlang der großen, gelben Bojen gelang trotz teilweise hoher Dünung erstaunlich problemlos. Bereits nach weniger als 34 Minuten entstieg ich dem Mittelmeer über das steile, steinige Ufer und wechselte aufs Zeitfahrrad. Die ersten Kilometer dienten nun zur Eingewöhnung der Muskulatur und dem Verpflegen. Danach ging es in die Berge. An den steilen Anstiegen trennte sich schnell die Spreu vom Weizen und es war deutlich zu sehen, wer häufig in den Bergen trainieren konnte und wem schnell die Gänge ausgingen. Trotz des entzerrten Schwimmstarts schob sich das Feld an den Rampen und folgenden Flachstücken schnell zusammen, sodass Zeitstrafen wegen Windschattenfahrens drohten. Ich konnte den vereinzelten Pulks auf einer insgesamt sehr fair gefahrenen Strecke aber aus dem Weg gehen und den Aufstieg zum Col de Vence in gleichmäßigem, jedoch zügigem Tempo fortsetzen. Da ich auf dem Rad nicht überziehen und somit eine gute Lauf- bzw. Gesamtzeit gefährden wollte, fuhr ich ein paar Prozente unterhalb des möglichen Niveaus. Kurz vor dem höchsten Punkt machten sich dennoch bald die Oberschenkel bemerkbar, welche in der anschließenden Abfahrt zumindest etwas geschont werden konnten. Auf den engen, kurvigen Straßen hinunter nach Nizza machte sich die Streckenbesichtigung vom Vortag definitiv bezahlt. Am Samstag vor dem Rennen fuhr ich nach einer Autofahrt zum Col de Vence die Abfahrt mit dem Wettkampfrad ab und konnte mir die schwierigsten Passagen sowie die Tempostrecken bereits im Detail anschauen. Einige Profis sollen die Abfahrt im Vorfeld mehr als 20 Mal abgefahren sein, um sich durch die Streckenkenntnis einen Vorteil im Rennen zu verschaffen. Neben dem Speed stand bei der Abfahrt jedoch auch stets die Sicherheit im Vordergrund, deswegen fuhr ich auch nie vollstes Risiko. Mehrere Krankenwagen am Streckenrand, welche heftig gestürzte Athleten versorgten, bestätigten diese Herangehensweise.

Nach dem Rückweg über die Küstenstraße ins Zentrum von Nizza stand nach einem Radsplit von 3:04 h der finale Wechsel in die Laufschuhe an. Nervös, ob diesmal die Beine ihren Dienst im geplanten Renntempo verrichten würden, machte ich mich auf die Laufstrecke entlang der Promenade des Anglais. Die Streckenverpflegung war mit Getränkestellen alle 1,5 km mehr als vorbildlich, auch Eiswürfel wurden bei mittlerweile mehr als 26°C gereicht. Wie erhofft sprachen die Beine trotz der Vorbelastung gut an und die ersten 10 km konnten in ca. 4:20 min/km absolviert werden. Angefeuert von meiner Frau Loreen und den extra angereisten Eltern verging die erste Runde wie im Fluge. Auf der zweiten Runde wurde der schwarze, heiße Asphalt jedoch gefühlt zäh wie Kaugummi, und der Schnitt ging nach und nach einer Pace von 4:45 min/km entgegen. Die letzten drei Kilometer wurden mental noch einmal richtig hart, obwohl das Ziel bereits nah war. Mit dem sprichwörtlich letzten Quäntchen Energie und in Erwartung eines baldigen Endes der Strapazen lief ich schließlich nach 5:21:15 Stunden als 355. meiner Altersklasse über die Ziellinie (Laufzeit: 1:37:35 h).

Fazit 1: Nach einer langen Vorbereitung und Triathlonsaison 2019 war ich mit der Performance in den Einzeldisziplinen beim Saisonhöhepunkt sehr zufrieden. Ironischerweise war ausgerechnet meine Schwimmleistung am heutigen Tag meine beste Disziplin im Vergleich mit den anderen Athleten der M30, dabei kommen meine Stärken normalerweise eher nach dem ersten Wechsel. Beim Radfahren und Laufen war wiederum kaum Zeit auf die anderen Triathleten gut zu machen. So spricht eine Platzierung im hinteren Viertel der Altersklasse und ein 1.935. Platz von insgesamt 3.257 Männern für ein enorm hohes Niveau innerhalb der „Hobbysportler“, von denen etliche sicherlich auf einem profi-ähnlichen Niveau trainieren. Auch ein Blick in die Radwechselzone verriet, dass bei den Amateuren bezüglich des Radmaterials mittlerweile keine Kosten mehr gescheut werden.

Fazit 2: Die Organisation der Veranstaltung rundherum, die Atmosphäre in Nizza am Rennwochenende und auch die anspruchsvolle Strecke waren einer Weltmeisterschaft absolut würdig. So war für mich bereits die Qualifikation zur Ironman-70.3-WM das Highlight in 11 Jahren Triathlonsport. Es abschließend auch fit und gesund an den Start und am Ende auch über die Ziellinie geschafft zu haben, war das absolute i-Tüpfelchen in meiner bisherigen Triathlonlaufbahn. Ob es bei einem „once-in-a-lifetime“-Erlebnis bleibt oder ob sich irgendwann nochmals die Chance auf eine WM bietet, bleibt abzuwarten. Nizza als Triathlon-Destination bietet auf jeden Fall überragende Bedingungen, auch über die volle Ironman-Distanz gibt es hier eine traditionsreiche Veranstaltung über großteils identische Strecken.

Fazit 3: Ohne die Unterstützung meiner Frau sowie der Motivation durch Freunde und Sportler, welche mich durch das Training in der Vorbereitung begleitet haben, und letztendlich auch der Eltern, welche für einen gemeinsamen Kurzurlaub nach Nizza gereist waren, wäre dieses Erlebnis nie zustande gekommen. Ihnen allen gilt mein ganz besonderer Dank.