Ironman Hawaii 2018

Montag, 15.10.18, auf der endlosen Rückreise von Hawaii nach Deutschland. Der erste Teil, der 5-stündige Flug von Kailua-Kona nach San Franzisco sowie ein 10-stündiger Aufenthalt dort, liegen zum Glück bereits hinter mir und ich befinde mich gerade auf ca. 10.000 m Höhe irgendwo zwischen den USA und Europa. Da mein Körper wie üblich die ersten 2 Tage nach einem Ironman Rennen keine Ruhe findet, habe ich mich entschlossen, die Zeit zu  nutzen, die Erlebnisse der letzten 8 Tage in einem kurzen Bericht zusammen zu fassen.

Die Vorbereitung:

Here we go: Nachdem ich mich bereits im Oktober 2017 beim Ironman Maryland (USA) für Hawaii qualifiziert hatte, konnte ich mich in aller Ruhe sowohl organisatorisch als auch trainingsmäßig auf dieses Ereignis vorbereiten.  Vom Trainingsaufbau war es mir dabei wichtig, nicht zu früh zu viel zu trainieren, um die Motivation und Energie bis in den Oktober hoch zu halten. In der Vorbereitung hatte ich mich dazu entschlossen, im Vorfeld 2 Halbdistanz-Rennen zu absolvieren, jedoch auf eine weitere Langdistanz im Vorfeld zu verzichten. Vermutlich würde ich dies beim nächsten Mal anders machen und ca. 3 Monate vor dem großen Rennen eine weitere Langdistanz zur Vorbereitung einbauen, um Routine und Sicherheit für den Hauptwettkampf zu gewinnen. Dennoch verlief der gesamte Saisonaufbau auch so mit guten Leistungen in den Vorbereitungsrennen und, was fast noch wichtiger war, ohne größere Erkrankungen, Stürze oder Verletzungen.
Somit konnte ich am Freitag den 5.10. – also eine gute Woche vor dem Rennen – meine Reise nach Kona-Island mit Vorfreude, Spannung, etwas Nervosität, aber alles in allem zuversichtlich antreten. Trainingstechnisch hätte ich mit ca. 12.500 km Rad, 2000 km Laufen und 450 km Schwimmen seit Jahresbeginn auch kaum mehr machen können. Die größte körperliche Herausforderung lag dabei allerdings sicherlich in der Anpassung an die dort in der Regel herrschenden klimatischen Bedingungen mit Hitze, Wind und hoher Luftfeuchtigkeit. Zumindest was die Hitze angeht, war ja dieses Jahr auch in Deutschland sowie beim „Familienurlaub“ bzw. Trainingslager im Sommer auf Korsika eine gewisse Gewöhnung möglich.
Als ich nach ca. 22-stündiger Anreise von Frankfurt über Los Angeles mit 12 Stunden Zeitverschiebung endlich auf Kailua-Kona ankam, bekam ich einen ersten Vorgeschmack darauf, was mich klimatisch in der nächsten Woche erwarten würde. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug weht mir ein heißer Föhnwind entgegen und durch die hohe Luftfeuchtigkeit klebt das T-Shirt augenblicklich am Körper. Dennoch ist es ein unbeschreibliches Gefühl, zum ersten Mal den „heiligen Triathlon-Boden“ dieser Insel zu betreten. Kurz nach Entgegennahme des Leihwagens beginnt es dann jedoch heftig zu regnen, allerdings ohne dass es sich dadurch nennenswert abkühlt. Ein Vorgang, der sich in der gesamten Woche fast jeden Nachmittag/Abend so wiederholt. Also erstmal ins Apartment, Gepäck ausladen und endlich schlafen...

Vor dem Rennen:

Am Samstag dann erst einmal ein sehr ruhiger Tag: Frühstück mit hawaiianischem Kaffee, Pazifikblick und dem Ziel, sich an Klima und Zeitumstellung anzupassen.  Ein ganz lockerer 5 km Lauf und am Nachmittag dann auf zum legendären „Dig Me Beach“, dort wo auch das Rennen startet, locker 2 km schwimmen. Freundlicherweise hat mich Maurice Clavel, der ja diesmal auch erstmalig als Profi in Hawaii am Start war, mitgenommen, wodurch ich zu einer Schwimmeinheit mit Sebastian Kienle und Ronnie Schildknecht gekommen bin. Im Gegensatz zu den beiden werde ich das sicher genauso wenig vergessen wie die große Wasserschildkröte, die auf dem Grund des glasklaren Wassers zu sehen war.
Sonntag war dann nochmal eine längere Radeinheit über 110 km angesagt, um den hinteren Teil der Rennstrecke bis zum Wendepunkt in Hawi zu erkunden. Dabei hatte ich mir als leichte Belastung nochmal drei 20-Minuten Intervalle im Wettkampftempo vorgenommen – keine gute Idee am zweiten Tag nach der Ankunft – die Lunge tut noch weh und die Beine schwer wie Blei ... Einziges Highlight dieser Tour – natürlich neben dem Gefühl endlich mal auf dieser Strecke unterwegs sein zu dürfen - beim 2. Intervall fahre ich an einer von 5 Männern umringten blonden Radfahrerin vorbei und erkenne noch – hoffentlich ohne zu sehr ins gaffen zu verfallen – den Namen Lucy Charles auf dem Trikot :).
Die nächsten Tage ist dann nur noch kurzes ruhiges Training angesagt, weiter akklimatisieren, ein wenig die Insel erkunden und natürlich die Stimmung aufsaugen. Eine wirklich einmalige Atmosphäre, aber natürlich auch ein – im wahrsten Sinne des Wortes – Schaulaufen der triathletischen Eitelkeit, das einen mehr als einmal schmunzeln lässt.
Am Mittwoch dann Startunterlagen abholen. Zum ersten Mal wird das bevorstehende Rennen real und der Puls steigt etwas an. Am Donnerstag Race-Briefing mit der eindringlich Mahnung und Warnung auf dem Rad die Drafting-Bestimmungen einzuhalten (wie so oft bei vielen Teilnehmern leider vergeblich)... und abends die „Parade of Nations“, allerdings im strömenden Regen. Deutschland dabei – angefeuert vorneweg von Jan Frodeno und Daniel Unger - mit über 200 Startern hinter den USA die zweitstärkste Teilnehmernation. Am Freitag dann Bike und Wechselbeutel Check-in. Jetzt wird es wirklich ernst und alles Verdrängen funktioniert nicht mehr. Immer häufiger geht der Blick auch auf die Wetter-App: Wie wird morgen der Wind ? Wie die Temperaturen ?

Das Rennen – Samstag 13.10.18

Um 3:15 Uhr klingelt der Wecker. Bis dahin schaffe ich es erstaunlicherweise einigermaßen gut zu schlafen. Nach dem Aufwachen übernimmt dann weitgehend der Autopilot der Rennroutine das Kommando. Aber wie immer vor einer Langdistanz meldet sich auch diesmal wieder ein kleiner Teufel und fragt: „Warum tust du dir das eigentlich an?“ – Ich lasse mich allerdings nicht auf längere Diskussion mit ihm ein und antworte nur knapp: „Weil´s unbeschreiblich geil ist, wenn man nach den ganzen Strapazen die Ziellinie überquert“.
Auf  geht’s Richtung Startbereich – es kann losgehen!

Um 6:35 Uhr ertönt der erste Kanonenschuss – die Profimänner sind gestartet – dann 5 Minuten später ein Zweiter – die Profidamen sind jetzt auch unterwegs. Also, auf geht’s ins Wasser und an die Startlinie schwimmen. Es ist unbeschreiblich: Knapp 2000 Age-Group Männer halten sich mit Wassertreten über der Oberfläche und warten auf den nächsten Kanonenschuss. Die Spannung ist unglaublich – und ich bin dabei – Wahnsinn! Dann um 7:05 Uhr ein dritter Kanonendonner und die Hölle bricht los – 4000 Arme und Beine fangen gleichzeitig an zu schlagen. Ich starte aus der ersten Startreihe, um dem Chaos möglichst nach vorn zu entkommen. Da ich aber nicht der Einzige bin, der hier schnell schwimmen kann, hab ich mich am linken Rand des Feldes eingeordnet, damit ich zur Not eine Fluchtmöglichkeit habe. Lieber 100 m mehr schwimmen, als sich auf Prügeleien einlassen. Die Taktik geht auf – 300 m Vollgas, dann in ein erträgliches Tempo übergehen, sich einordnen und in einer guten Gruppe kontrolliert schwimmen – der Tag wird lang.  Nach gut 55 min ist das Schwimmen vorbei. Soweit gut! In der ersten Wechselzone dann ein dummer Anfängerfehler. Mir rutscht unbemerkt der Wechselbeutel aus der Hand und wird sofort von einem Helfer zur Seite geräumt. Ich verliere ca. 5 min bis ich meinen Beutel wieder habe. Ärgerlich aber nicht dramatisch – abhaken und auf´s Rad fahren konzentrieren. Dort ist es ziemlich voll auf der Strecke und die ersten 8 km bis zum Queen K Highway heißt es, verdammt gut aufpassen und keinen Sturz riskieren – das Feld ist extrem hektisch unterwegs. Bezüglich der Marschroute folge ich für dieses Mal dem Rat erfahrener Teilnehmer bzw. Trainer: kontrolliert fahren und eher 10-15 Watt weniger treten als sonst auf der Langdistanz – der Rückweg kann hier sehr hart werden.  An diesem Tag ist alles anders –die Inselgöttin ist uns gewogen – und die Radbedingungen sind einfach genial. Obwohl ich bei meiner Strategie bleibe und einigermaßen entspannt im Schnitt nur 200 Watt trete, bin nach einem Radsplitt von 4:58h wieder in der Wechselzone. Dabei habe ich mich konsequent aus jedem größeren Pulk rausgehalten und – auch wenn´s manchmal schwer fiel – immer und immer wieder den vorgeschrieben 12 m Abstand zum Vordermann hergestellt. Von den Zeitstrafen, die ich an diesem Tag sehen konnte wurde sicher keine zu unrecht vergeben ....
Was beim Radfahren von Vorteil war, wird nun beim Laufen zur Herausforderung. Kaum kühlender Wind und im ersten Laufabschnitt steht auf dem Ali´i Drive trotz Schatten spendender Bäume und Häuser die Hitze auf dem Asphalt – das kann ja heiter werden.
Also nicht nervös werden und jede Möglichkeit zum Trinken und Kühlen nutzen. Allerdings ist die Strecke nach meinem Empfinden auch alles andere als flach und insbesondere der Anstieg raus, Richtung Queen K Highway, ist mit ca. 12% Steigung kein Spaß. Bis km 18 geht’s auch durch die Lavafelder noch ganz gut voran,  dann wird’s aber leider doch schnell sehr hart und der Schnitt geht in den Keller. Die längsten 7 km meines Lebens laufe ich dann durchs Energy Lab – ohne dort jedoch wirklich neue Energie zu bekommen – es ist wahnsinnig heiß und die Luft steht. Mein Körper überhitzt und ich sage mir immer wieder mein Mantra vor: „Laufen – nicht gehen“ und schaffe es so tatsächlich irgendwie wieder auf den Queen K Highway. Nun sind es noch ca. 13 km bis ins Ziel und es geht wieder etwas besser. Zum ersten Mal taucht die Vorstellung vom Hawaii-Finish in meinen Gedanken auf – allerdings nur bis kurz vor mir ein Teilnehmer anfängt zu taumeln und kurz danach zu Boden geht – zum Glück sind sofort Helfer zur Stelle. Irgendwie schaffe ich es zurück nach Kailua-Kona. Der letzte Kilometer ins Ziel ist trotz aller Schmerzen einfach Wahnsinn. Tausende Zuschauer am Rand, die einen anfeuern – wann hat man das als Agegrouper schon mal?! Unter dem Zielbogen höre ich dann nach 10 Stunden und 12 Minuten endlich die erlösenden Worte von Mike Reilly „Stefan, you are an Ironman“ – Es ist ein unvergleichliches Gefühl ....