Rückblick auf die erste Triathlon Saison als Startpassinhaber

Eine von Optimismus geprägte Triathlonsaison 2021 geht zu Ende. Optimismus, weil ich hoffnungsvoll meinen ersten Startpass beantragte und den Nachholterminen aus dem Vorjahr entgegen fieberte. Weil ich trotz der Welle von Absagen immer noch sicher war, dass irgendwo schon etwas stattfinden würde. Weil schließlich zwei wunderschöne Wettkämpfe dabei herauskamen, mit denen ich zu Beginn ganz und gar nicht gerechnet hatte.

 

Triathlon du Lac Saint Point (Saint-Point-Lac, Doubs, Frankreich)

4. Juli 2021, um die Mittagszeit, die Vormittagssonne wird allmählich von hereinziehenden Wolken verdrängt. Die Sprint-Distanz hat wohl Glück gehabt. Das Seewasser – heute Morgen kurz getestet – ist hier auf 850 Meter Höhe diesen Sommer ziemlich frisch geblieben. Für mich zum ersten Mal im Neo und mit Maske geht es ans Seeufer. Eine Durchsage. Der Start wird aufgrund des nahenden Gewitters vorverlegt. Aufwärmen – heute wohl überbewertet. Im dichten Gedränge an der Startlinie werden die Masken abgelegt. Zu `ACDC´ stürze ich mich ins Wasser. Beine, Füße, Arme, überall, übereinander, wie ich es bei noch keinem Triathlon zuvor erlebt habe. Irgendwie wie im Krieg. Gegen Ende der ersten Schwimmrunde entspannt sich die Lage langsam. Im Dreieck geht es zurück ans Ufer, raus rennen, um eine Boje, nächste Runde. „Sortie à l'Australienne“ nennen die Franzosen dieses Intermezzo. Weniger Arme und Beine in der zweiten Runde, dafür ziemlich hackige Wellen. Während ich in die Wechselzone renne, bekomme ich schon mal die obere Hälfte des Neos ganz gut runter und merke: es regnet in Strömen und stürmt ordentlich. Die ersten Kilometer auf dem Rad sind flach. Ich fahre von Anfang an am Anschlag. Meinen Riegel bekomme ich kaum herunter. So langsam fällt mir auf, dass ganz schön viele hier im selben Anzug fahren. Der erste Anstieg ist langgezogen und flach. Das Feld sortiert sich allmählich, ab und zu überholen mich kleinere Grüppchen. Alle im selben Anzug. Windschattenverbot – Grauzone. Grün: Armée de Terre. Hellblau: Armée de l'Air. Dunkelblau: Gendarmerie. Der zweite und steilere Anstieg sortiert noch mehr. Wellig geht es über kleine Straßen zwischen Weiden hindurch zurück Richtung See. Die kurze Abfahrt hat es mit ihren scharfen Kurven bei der Nässe in sich. Zweite Runde. Endlich kein Regen mehr. Für den Übergang vom Rad auf die Laufstrecke bleiben nur wenige Hundert Meter. Dann geht es kräftig bergauf, danach wellig und mit Ausblick den See entlang. Zwei Runden um den Wendepunkt, Schlusssprint den Berg hinunter. 2:22:37 für meinen ersten Olympischen Triathlon in Frankreich. Bei der Siegerehrung – coronabedingt auf die Podiumsplätze beschränkt – verstehe ich: das war das Championnat de France des Forces de l'Armée, die französischen Armee-Meisterschaften. Von der Wasserschlacht bin ich nun nicht mehr überrascht, und mit meinem 4. Platz in der Altersklasse durchaus zufrieden.

Sehr schön gelegener Triathlon im französischen Jura nahe Pontarlier. Sehr günstig, gut organisiert und landschaftlich wirklich empfehlenswert. Sprint und Olympische Distanz. Hügelig-welliges Profil. Super mit einem Wochenend-Trip kombinierbar. 

Website: https://www.pontarlier-triathlon.com/triathlon-du-lac-st-point/

 

VentouxMan (Vaucluse, Frankreich)

Es ist 5:37 Uhr und der voll besetzte Reisebus jagt über die kurvige provenzalische Landstraße. Den Kreisverkehr nimmt der Fahrer mit dem Temperament, das mich beinahe den Löffel abgeben lässt. Den, mit dem ich meinen Porridge esse. Die vierte und wohl schwierigste Disziplin habe ich heute schon geschafft: den Shuttle-Bus in Malaucène um 5:30 Uhr nicht verpassen.

In der Wechselzone herrscht geschäftiges Treiben. Es ist noch stockdüstere Nacht. Um mich herum nur High-End-Carbonräder, neben denen mein 12 Jahre alter Alu-Bock wie der Underdog schlechthin aussieht. Mein Nachbar, ein Deutscher mit Namensaufdruck auf dem Rahmen, fragt mich nach meiner Zielzeit. Ankommen. Das ist meine erste Mitteldistanz.

Während die Schlange vor den drei Dixie-Klos ins unermessliche wächst, bricht die Morgendämmerung an. Um kurz nach Sieben geht es immer noch maskiert ans Seeufer zur Wettkampfvorbesprechung. Im Sonnenaufgang starten kurz hintereinander Frauen, Staffeln und Männer. Der Baggersee ist noch angenehm warm und ich freue mich, keinen Neo mitgebracht zu haben. Wir schwimmen eine Runde um eine kleine Insel im See, raus ans Ufer – sortie à l'australienne – und noch eine zweite.

In der Wechselzone heißt es, darauf achten, dass alles in den Schwimmbeutel kommt. Der wird von den Veranstaltern ans Ziel gebracht. Die Radstrecke führt zu Beginn vorbei an einem Atomkraftwerk, dann durch Bollène und schließlich auf flachen Straßen in Richtung Mont Ventoux. Der erste Anstieg in den Dentelles de Montmirail und über den Col de la Madeleine belohnt mit südfranzösischem Kiefernwald und herrlichen Aussichten über die Weinberge. Durch Bédoin geht es mit hoher Geschwindigkeit und mit motivierenden Zurufen vom Straßenrand. Dann nehme ich Tempo raus und achte noch mehr auf meinen Puls, um in der langen Auffahrt nicht in den roten Bereich zu kommen. Gar nicht so leicht, da ich den Berg schon oft schneller hinaufgefahren bin – aber eben ohne vorher zu schwimmen und hinterher noch zwanzig Kilometer zu laufen.

Die Verpflegungsstation am Chalet Renard kommt mir gelegen. Endlich wieder Wasser auffüllen und zur Abwechslung ein salziger Snack: Käse, évidemment! Auf den letzten drei Kilometern macht der Ventoux seinem Namen ganze Ehre: in der Gipfelwolke ohne Sicht weht ein eisiger Gegenwind. So stark, dass ich anhalten muss, um die Windjacke anziehen zu können. Dann geht es plötzlich über den Gipfel und hinein in die böige Abfahrt. Noch ein paar Plätze gutmachen auf dem Weg zum Mont Serein.

Die Laufstrecke führt zunächst steil bergab durch die Skihütten-Siedlung und dann auf den matschigen Trail. Das abwechselnde Auf und Ab verlangt bei dem rutschigen Kalkstein absolute Konzentration. Wahrscheinlich gut, denn so denke ich weniger an die Kilometer, die noch vor mir liegen. Ab Runde Drei mache ich kurze Zwischenstopps an den Verpflegungsstationen. Cola, Käse, Banane. Endlich die letzte Runde, der letzte Anstieg, das letzte Mal durch den Matsch. Auf der Zielgeraden reicht es noch für ein paar Prozent mehr. 6:47:34 und 11. Platz in meiner Altersklasse. Ich bin überglücklich.