TORTOUR 2018: Die Schwarzwälder in den Schweizer Alpen

Nach einer Woche sind die Finger wieder soweit regeneriert, dass ich endlich, etwas spät aber hoffentlich noch nah genug am Event, ein paar Zeilen zum Schweizer Ultracyclingevent TORTOUR schreiben kann. Ok, Scherz beiseite, die Finger waren nicht das Problem, die Füße aber schon.
 
Aber von Anfang:
Ende 2017, als der Regensburger Challenge abgesagt wurde, kam die Idee, mal ein Ultracycling-Jahr zu machen. Gesagt getan, Anmeldung bei der TORTOUR folgte im Januar, 1008km, 13.000HM am Stück. Kein Problem, war ja alles noch weit weg….
 
Fast forward 18.000 Trainingskilometer später stand ich am Donnerstag Mittag zum Prolog in Schaffhausen. Hier kam die erste Ernüchterung. Man könnte eigentlich meinen, dass die Fahrer, die alle noch 1000km vor sich haben, das easy angehen. Weit gefehlt…. um gerade so mitzuhalten musste ich meinem Allzeit-1min-Power-Rekord brechen und auf 680 Watt erhöhen. Platz 8 und damit 4 Minuten Startverzögerung waren das Ergebnis.
 
Der Wecker klingelt Donnerstag Abend um 23:30 (ja, ihr habt richtig gelesen), eine Stunde später stehe ich mit Triarad in Vollmontur am Start, in der Erwartung, dass ich auf dem ersten Flachstück den anderen was abnehmen kann. Da kam der nächste Erkenntnis: die Tortour ist kein Radonneur-Event. Das ist ein Radrennen, und zwar ein knallhartes. Obwohl ich den ersten 3 Etappen bis Chur (182 km, also ein Ironman) in knapp 5h fuhr (und da hatten wir ja noch 35h vor uns) waren bereits 5 Fahrer schneller als ich, der erste in sagenhaften 4:45h.
 
Mein Team („Die Schwarzwälder“) bestand nachts zunächst aus Malaika und Christoph Schlegel, Michael Bock und Marcel Wolff kamen dann in Chur später dazu, Mika in Airolo. 2 Fahrzeuge, 6 Leute, 3 Räder, Klamotten, Ernährung, Werkzeug: die Logistik alleine ist eine extreme Herausforderung. Wie wichtig das Team ist wird sich später im Rennen noch an vielen Stellen zeigen, ohne Team wäre ich nie in Schaffhausen angekommen.
 
Zurück zum Rennen. Ab Chur, also km 180, ging es dann in die Bergetappen. Die Pässen Parpan, Albula, Flüela, Oberalp, Gotthard und Nufenen standen im Menü. Der Aufstieg zum Nufenen startete Freitag ca. 20 Uhr in der Dämmerung, der Energielevel war schon sehr dezimiert, und der sonst eigentlich nicht besonders schwierige aber lange Pass wollte nicht aufhören.Irgendwie geht es dann aber doch weiter. Durchschnittsleistung über die ersten 11h war 240 Watt, gegessen hatte ich natürlich wie immer zu wenig, und das sollte sich noch rächen.
 
Nach der Abfahrt bei der Timestation Fiesch nach 22:30h und 10.000 HM kam dann die Krise. Und zwar eine Krise, wie ich sie von den Ironmans nicht kenne. Völlige Zerstörung, Schüttelfrost, komplett den Glauben ans Finishen verloren. Rennzeit war plötzlich egal. Alles brach zusammen. Hier kam das Team: sie glaubten noch an mich (zumindest hatten sie das gesagt:). Einer macht Kaffee, der andere reicht Nudeln, Decke, Brühe, keep cool. Was soll man dann sagen zum Athleten? „Easy, es sind „nur noch“ 480 km, eine Nacht und ein Tag im Sattel?“, vielleicht keine gute Idee. Michael hat das richtige getan: „Setz Dich einfach aufs Rad, geht bergab, und lass rollen, nach Sion müssen wir sowieso“.
 
Also auf nach Sion. Und siehe da, nach ca. 20 Minuten geht es wieder, Power kommt zurück, und kurze Zeit später kann ich wieder mit 40km/h auf meinem Walser durch die Nacht ballern. So meistern wir dann Etappe um Etappe. Aigle, Moudon, Muntelier, es wird wieder Tag (Samstag nun, aber man verliert komplett das Zeitgefühl). Vor Balsthal steht mein Neffe Noah und feuert an, neben meinem Bruder und meiner Schwägerin, eine klasse Motivation, die mich nochmals antreibt.
 
Hinter Balsthal bei km 900 dann noch ein paar nette 20% Steigungen (welcher Sadist kam auf die Idee?), dann Laufenburg, Eglisau, und endlich die letzte Etappe. Ein großer Triumph, tolles Gefühl, die letzten 2 Etappen machen sogar wieder Spass. Samstag Abend um 18 Uhr rolle ich in der IWC Arena in Schaffhausen wieder ein, 42h nach dem Start. Was mich am meisten wundert: ich bin nicht müde. Obwohl ich da schon seit 40h nicht mehr geschlafen habe, und vorher auch nur 2h vor dem Start.
 
Am Ende Platz 5, Fahrzeit 37:17, also 27 km/h Schnitt ohne Pausen gerechnet, Gesamtzeit knapp unter 42h, Durchschnittsleistung 195 Watt, Arbeit 25.000 KCal. Und weil immer alle fragen vorweg: nein, mein Hintern ist noch ok, und nein, der Hintern ist nicht das Problem. Es sind 2 andere Dinge: der Kopf (also der Part innen) und die Füße.
 
Insgesamt ein klasse Erlebnis. Und eine Erkenntnis: ohne Team wäre ich nie und nimmer angekommen. Selbstmotivation hat seine Grenzen musste ich erfahren.
 
What’s next? Ich weiss nicht, auch wenn ich mich damit offiziell für das RAAM 2019 qualifiziert habe werde ich wohl wieder Triathlon machen und freue mich sogar auf’s Schwimmen:)